Am 3. Mai 2023 erhielt Andreas Dötsch in der Gothaer Stadthalle die Myconius-Medaille 2023 verliehen, die höchste Auszeichnung der Stadt Gotha für engagierte Menschen im Ehrenamt. Horst Gröner, selbst Träger dieser Auszeichnung im Jahr 2020, sprach mit ihm über seine Einstellungen, Ideen und Perspektiven.
Wie geht es dir nach dem festlichen Empfang in der Gothaer Stadthalle?
Ich staune immer noch über das Echo hinterher. Es kommen viele Kunden rein, die es über die Medien gesehen haben, einige gratulieren mit einem Fläschchen Wein in der Hand oder irgendwelchen Präsenten. Also diese Herzlichkeit auch aus der Bürgerschaft, weniger von Unternehmen, das hätte ich tatsächlich so nicht erwartet.
Bei deiner Dankesrede in der Stadthalle hast du vier Grundgedanken/Prinzipien zum Ehrenamt genannt, die für dich wichtig geworden sind.
Welche sind dies?
Das Wichtigste ist, dass man im Ehrenamt immer mehr geben muss, als man vielleicht erwartet, zurückzubekommen. Wichtig ist, im Ehrenamt das Parteiliche komplett auszublenden, solange es ein Miteinander gibt. Im Ehrenamt besteht die Chance, Kontakte zu knüpfen, Menschen kennenzulernen, im besten Fall auch Freunde kennenzulernen, wichtig ist auch, im Ehrenamt zu fordern und zu fördern, in einer Zeit, in der Ehrenamt sehr schwierig ist und viele sich schwertun, ehrenamtliche Arbeit zu leisten. Vielen Vereinen geht es gar nicht gut, weil Mitglieder wegbrechen. Deshalb ist es wichtig, dass diejenigen, die da sind, nach vorne preschen. Aber jeder hat für sich eine Erwartung: der Eine sagt, ich mache die Welt etwas besser, der Andere meint, geht es meinem Nachbarn gut, links und rechts den Kollegen gut, dann spiegelt sich das wider auf mich, und ich kann mich als Unternehmer frei entfalten. Das ist mein Anliegen mit dem Gewerbeverein.
Warum hast du den Gothaer Gewerbeverein (von 1822) wieder mitgegründet?
Es gab ab 1992 einen Förderverein „Von Gotha für Gotha“, zwischenzeitlich gab es einen Händlerring. Ich war auch im letzten Vorstand des Fördervereins, der dann seinerzeit liquidiert werden musste. Mir war es eben wichtig, dass etwas Neues entstehen muss, um die Interessen umzusetzen und ein Gleichgewicht herzustellen. Noch während der Liquidation des Fördervereins gab es schon die Vorbereitungstreffen zur Neuinitiierung. Da war ich schon 2010 der Impulsgeber, 2012 war es dann so weit, dass wir wieder in Gründung gehen konnten.
Bei dem damaligen Gewerbeverein 1822 war Ernst Wilhelm Arnoldi an führender Stelle. Vorher war er ab 1819 mit Friedrich List zusammen beim Deutschen Handels- und Gewerbeverein engagiert. Dieser Verein ist 1821 erst einmal aufgelöst worden. Welche Bedeutung hat für dich Ernst Wilhelm Arnoldi?
Jedenfalls war er eine Persönlichkeit, die ich mit Gotha verbinde. Arnoldi war mir zwar bekannt, aber so richtig mit der Persönlichkeit beschäftigt habe ich mich erst durch die Recherche für die Gewerbevereinstradition. Ich habe Arnoldi sehr wohl mit dem Thema Versicherung in Verbindung gesetzt, mit der „Gothaer“ auf jeden Fall. Mir war aber damals nicht bewusst, dass Arnoldi als Gründervater des modernen Versicherungswesens gilt. Ich staune immer wieder, wie viele neue Sachen man über Arnoldi entdeckt. Ich behaupte, ich kenne jede Ecke der Innenstadt. Aber man muss erst eine Stadtführung mitmachen, um zu wissen, dass im Haus des heutigen „Blumenkavaliers“ am unteren Hauptmarkt Arnoldis Geburtshaus war.
Im Stadtarchiv Gotha lagern laut Aussage der Leiterin Julia Beez etliche Meter Akten zum damaligen Gewerbeverein.
Gibt es bei Euch eine Idee, diese mal aufzuarbeiten oder aufarbeiten zu lassen?
Diese Idee gibt es. Wir haben festgestellt, im Zuge der Arbeiten für die Festzeitung zum 200-jährigen Jubiläum des Gewerbevereins. Das hat auch wunderbar funktioniert. Es gibt viele Versammlungsprotokolle des alten Gewerbevereins. Während des Myconiusempfangs wurde ich vom neuen Stadtschreiber Thomas Herrig angesprochen, diese Daten zu digitalisieren, also für die Ewigkeit zu hinterlegen. Das finde ich richtig toll. So wie man in den Akten von 1822 blättern kann, soll man nachschauen können, was wir ab 2010 ür Gotha bewegt haben.
Was hast du für dich von Arnoldi gelernt?
Zunächst die Tatsache, die eigenen Bedürfnisse hintenanzustellen, das Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen. Und die letzten 20 Jahre war ich in Gotha im Ehrenamt, ein Indikator dafür, dass ich überall akzeptiert werde. Ich versuche, mich nicht persönlich zu bereichern. Natürlich habe ich eine Erwartungshaltung und will mich als Unternehmer frei entfalten, dafür muss ich die Rahmenbedingungen schaffen. Ein Stück Eigeninteresse besteht auch.
Was du gesagt hast, erinnert an Arnoldis Satz „Du lebst für dich, wenn du für andere lebst“. Diese Grundidee ist in deiner Aussage mit enthalten.
Das will ich in abgewandelter Form weiterhin verwenden, und die Allgemeinheit aufzurufen, uns zu folgen, die eigenen Bedürfnisse hintan zu stellen, in die Hände zu spucken für diese Stadt, und das nicht nur für das Unternehmertum, sondern für die Bürger. Da sind wir auf einem guten Weg.
Zusammen mit deiner Frau Diana arbeitest du als Experte in Computer- und Kommunikationstechniken. Wie kamst du zu diesem Fachgebiet? Wo bist du gestartet?
Ich habe das Glück gehabt, schon mit 8, 9 Jahren, also in der 2. und 3. Klasse, in der Reinhardsbrunner Straße in der Station junger Techniker und Naturforscher meine ersten Kontakte zur IT zu haben. Ich kann also wirklich sagen, ich bin schon zu DDR-Zeiten als Talent entdeckt und gefördert worden. Ich bin gerne dorthin gegangen zur Freizeitbeschäftigung. So kam ich mit der Technik in Berührung, habe das seitdem verfolgt, habe 1992 meine Lehre ursprünglich als Einzelhandelskaufmann für Farben, Lacke, Teppichböden angefangen. Wie der Inhaber des Baumarktes habe auch ich nach einem halben Jahr bemerkt, dass ich dort fehl platziert war. Da habe ich in die Technikbranche gewechselt, in die Unterhaltungselektronik. Dies habe ich dann in verschiedenen Unternehmen weiter praktiziert, bis hin zur Selbständigkeit. Aber ich muss sagen, für diese Förderung, junge Talente rauszugreifen, bin ich auch heute noch sehr dankbar. Wir hatten Technik von VEB Robotron-Meßelektronik „Otto Schön“ Dresden und VEB Mikroelektronik „Wilhelm Pieck“ Mühlhausen im Einsatz, und darauf basiert mein Wissen heute.
Wo liegt für dich die Zukunft auf diesen Gebieten?
Ich glaube fest daran, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren keine Smartphones mehr in der Hand halten, sondern Smart Devices, dass die KIs, von denen die Meisten in den letzten Jahren Kenntnis bekommen, also einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurden, dass sie unsere Zukunft weitestgehend bestimmen werden, mit allen Kollateralschäden, die das mit sich bringen wird. Es gibt also nicht nur die Sonnenseite, sondern ich habe Angst, dass ganze Branchen darunter leiden werden. Aber wir werden einen Quantensprung in den nächsten fünf bis 10 Jahren erleben, was die mobile Kommunikation, die IT und Smart Home-Technik, mit sich bringen wird. Ich hoffe, dass es trotzdem eine Technik wird, die immer noch beratungsrelevant ist, weil ich mich damit für mein tägliches Handeln definiere. Ich sehe mich aber auch als Techniker: heute mache ich Schulung, verkaufe Smartphones, es kann aber auch sein, dass ich in fünf Jahren herumziehe und smarte Heizungstechnik reparieren muss. In diesem Markt ist viel Bewegung drin, der viele Chancen bietet, der aber auch aufgrund der Technisierung Risiken mit sich bringt. Aber für viele steht die Bequemlichkeit, die Nutzbarkeit im Vordergrund. Deswegen denke ich, dass dies der Weg sein wird, den der Markt vorgibt. Ich bin davon begeistert, aber die Umsetzung, das Tempo, das macht mir Angst.
Wichtig erscheint dabei, dass einen die Angst nicht überwältigt, sondern die Angst vielleicht sogar Motor wird, um dies zu überwinden. Die Frage ist damit „Wohin mit der Angst?“.
Ich gehe heute in eine Galerie, schau mir Bilder von Rubens, Rembrandt und anderen an, ich kenne die Geschichte von diesen Personen. Aber ich habe Angst, irgendwann einmal in eine Galerie zu gehen, wo KI-generierte Bilderhängen, die mir zwar einen Inhalt wiedergeben, aber keine Geschichte dahinter. Und da stellt sich die Frage, will man das wirklich so?
Welche anderen Tätigkeitsfelder interessieren dich?
Ich sammle leidenschaftlich Musik. In meiner Freizeit digitalisiere ich Alben auf MP3, sortiere sie ein, und das Ganze so exzessiv, dass ich selbst noch die Coverbilder speichere, die Songtexte dazu. Mein Ausgleich erfolgt also entweder im Garten mit meiner Frau zusammen oder Musik sortieren.
Das wäre auch meine Frage: Wie kommst du zur Entspannung, zur Erholung?
Musik und Garten sind die Schwerpunkte. Aber von meinem Geheimnis wissen nur wenige, die mir nahestehen. Ich bin nämlich ein wahnsinnig großer Karaoke-Fan. Das ist eine Leidenschaft, die ich auch mit Freunden gerne teile.
Wofür könntest du dich sonst noch engagieren?
Ich würde mich gerne in der Arbeit mit Schülern engagieren, also Fachkräfte für die Zukunft aufzustellen, über Berufe zu informieren, der Bedarf ist da, er wird nur zu wenig verfolgt. Was mich wahnsinnig interessieren würde, ist die Kommunalpolitik. Mein Lebensschwerpunkt liegt nicht in Gotha, denn ich wohne in der Gemeinde Hörselberg-Hainich, insofern ist eine aktive Stadtratsarbeit für mich nicht denkbar. Das würde mich aber reizen, weil es hier viele Möglichkeiten gäbe und ich mit meinem Wissen gute Arbeit leistenkönnte. Aber dies bleibt ein Traum.
Was möchtest du zum Schluss den Lesern mitgeben?
Ich greife die ersten Worte wieder auf: Rein in die Vereine! Wirklich über den Tellerrand blicken. Jeder muss seinen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen, in erster Linie in seiner Kommune. Ich glaube, wenn man die Welt verändern will, fängt man immer von unten an, nämlich bei sich zuhause vor der eigenen Haustür. Politik verändert man nur von unten nach oben. Das Miteinander sollte man also im Kleinen anfangen. Dazu muss jeder sich irgendwo berufen fühlen, seinen Beitrag zu leisten, ob es im Sportverein oder in der Kommunalpolitik ist oder in einem der vielen anderen möglichen Bereiche.
– Vielen Dank für das Gespräch!
Horst Gröner – 16.05.2023
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