Sehr geehrte Damen und Herren,
die schöne Griechin Kassandra besaß die Gabe, Unheil vorherzusehen. Tragisch war allerdings, dass niemand ihr Glauben schenkte.
Ich betreibe seit mehr als 15 Jahren mein Geschäft in Gothas Innenstadt und erlebe, wie Häuser und Straßen meiner Heimatstadt saniert oder neugebaut wurden.
Ich verspürte aber schon vor Jahren ein schleichendes Gift. Eines, das dem pulsierenden Leben in dieser schönen Stadt zusetzte: Dieses Gift ist der stete, der zumeist stille Niedergang des Einzelhandels.
Unteranderem dem zu begegnen – auch dafür haben wir den 2012 den Gewerbeverein gegründet. Wir machten von Beginn an auf diese schleichende Vergiftung aufmerksam: in der Öffentlichkeit, in der Stadtverwaltung, im Stadtrat.
Unser Erfolg war bescheiden. Unsere Sorgen und Befürchtungen haben sich aber nun binnen weniger Wochen so bestärkt.
Gut 10 Wochen ist Gothas Hauptmarkt nun Baustelle. Und schon leiden Gewerbetreibende unter Umsatzrückgängen von 30 % und mehr.
Läuft auch das Weihnachtsgeschäft dieses Jahr weiter so schlecht, dann gehen hier viele Lichter aus, werfen noch mehr das Handtuch, wie es z. B. das Gothaer Original Frank „FranXs“ Börner kürzlich tat.
Der ehemalige „Gockel-Grill“ hat binnen einem Jahr den 2. Betreiber.
Ähnliches wird uns von Unternehmen aus Hünersdorf- oder Erfurter Straße berichtet.
Ohne Frage ist nicht die Baustelle Hauptmarkt alleinige Ursache für eine solch beängstigende Entwicklung.
Der Einzelhandel in Deutschland tut sich generell schwer. Nahezu übermächtig erscheint die Kraft der Online-Händler. Tendenziell sinkt der Umsatz vor Ort massiv. In inhabergeführten Einzelhandelsgeschäften stürzt er regelrecht ab.
Meine Damen und Herren,
darf ich die Runde an die Debatten wegen des Einkaufszentrums an der Gartenstraße erinnern?
2010 hatte Gotha 510 Handelsunternehmen mit knapp 124.000 m2 Verkaufsfläche. Die Besonderheit: Zwei Drittel der Geschäfte gehörten Einzelhändlern, waren aber kleiner als 50 m2. Die Zahlen entstammen der Standortanalyse der GMA, die im Auftrag der Stadt entstand. ‚
Dort fand sich auch der Hinweis darauf, dass Gothaer rund 35 Mio. Euro – und damit reichlich ein Viertel ihres Geldes – woanders ausgeben.
DAS Argument dafür war, dass Kaufkraft in Gotha bleiben sollte.
Es ist die Vielfalt des lokalen Handels, der Städte attraktiv macht, in dessen Schlepptau quirlige Geschäftigkeit herrscht, die wiederum auch Kulturangebote nach sich zieht, eine hohe Lebensqualität bringt, die auch für Wohlstand sorgt.
Es liegt nicht immer, aber oft in der Hand der Kommunen, ob das so ist oder ob Innenstädte veröden.
Innerstädtischer Handel braucht unkomplizierte, schnelle Erreichbarkeit für Kunden.
Wie sieht es damit in Gotha aus?
Eher schlecht, denn nicht erst jetzt gingen Parkplätze verloren. Je nach Zählweise sind es seit 2013 ca. über 700. Da helfen 46 auf dem ZOB auch nicht oder eben jene vor der Stadthalle.
Und wer, meine Damen und Herren Stadträte der Meinung ist, der Trimm-dich-Pfad von der Goldbacher Siedlung zum Rathaus ist für den Kunden unsere City eine zumutbare Situation, den lade ich gerne ein, diesen Weg zu jeder Stadtratssitzung, gemeinsam mit mir zu laufen, dies gilt für Stadträte, Bürgermeister und Oberbürgermeister.
Von der schwierigen Parksituation betroffen sind auch die, die in der Innenstadt arbeiten oder Gäste der Stadt.
Die Suche nach einem freien Parkplatz dauert nicht selten bis zu 20 Minuten. Das wäre vielleicht kein Drama, wäre man nicht in der gleichen Zeit in Erfurt oder Eisenach.
Apropos Erfurt: Gotha bietet dieses Jahr gleich zwei Weihnachtsmärkte. Der auf Schloss Friedenstein wird deutschlandweit beworben. Kämen nur 5 % der Gäste, die sonst Erfurt fluten, wären das 90.000 Besucher, viele von denen mit PKW… Kaum vorstellbar, oder?
Klar ist eines: Die notwendige Sanierung der Stadt an sich trägt zur schlechteren Erreichbarkeit der City bei.
Absehbar aber ist, dass auch in den kommenden beiden Jahren alles dazu kommt, was sich ungünstig auf den innerstädtischen Handel und Wandel auswirken wird:
Zur bestehenden Großbaustelle auf dem Hauptmarkt gibt es wieder eine Vollsperrung der Friedrichstraße. Auch die Gartenstraße wird zeit- und teilweise gesperrt sein.
Das ist genau das Gift, was erst uns – und dann die Stadt töten wird.
Fakt ist: Arbeitgeber und Immobilienbesitzer bekamen über Jahre hinweg bei Sanierung oder Neubau die Auflage, Parkplätze anzulegen oder die Stadt finanziell zu entschädigen. Es sei die Frage erlaubt: Was ist mit dem Geld passiert?
Meine Damen und Herren;
Ja, ich weiß: Mit dem Finger aufeinander zu zeigen, beseitigt kein einziges Problem. Ich, wir vom Gewerbeverein wollen Lösungen, die realistisch UND möglichst schnell umzusetzen sind.
Dazu gehört für mich, für uns, dass zunächst energisch und mit großer Akribie und dem Willen zu kreativen, gern auch ungewöhnlichen Lösungen sämtliche potenziellen Flächen erkundet werden sollten, um das Parkproblem verträglicher zu lösen.
Als Nächstes benötigt unsere neue Citymanagerin Frau Kupfer das notwendige Budget um mit gezielten Aktionen, ihrer Arbeit und Funktion als Citymanagement mit dem Gewerbeverein an der Seite, nachgehen zu können.
Bei vielen von Ihnen meine Damen und Herren Stadträte haben wir zu dieser Thematik bereits vorgesprochen!
Etwas abgewandelt ein Satz zum Schluss:
Zu Risiken und Nebenwirkungen von Stadtplanungen lesen sie die Ratsbeschlüsse, fragen Ihren Bürgermeister oder die Stadträte.
Ersteres haben wir längst versucht, mit wenig Erfolg.
Letzteres tun wir jetzt. Wir bürden Ihnen damit keine Last, sondern eine große Hoffnung auf – die Hoffnung, dass wir gemeinsam Lösungen finden:
Für eine lebendige Innenstadt und für ein blühendes Gotha!
Danke, dass ich hier vorsprechen durfte!